Nach einer schwierigen Schwangerschaft kam Leon gesund und munter auf die Welt. Doch bald gab es erste Anzeichen, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Die Nachricht über die bevorstehende Schwangerschaft war für uns unerwartet, allerdings hatten Sandra und ich uns schon lange ein Kind gewünscht. Doch es sollte anders kommen…
Sandra hatte das ganze Wochenende starke Bauchkrämpfe, sodass wir uns Sonntagabend entschieden ins Krankenhaus zu fahren. Die Ärztin fragte, ob wir bereits eine Schwangerschaft gemacht hätten. Nein, das hatten wir nicht. Im Ultraschall war ein kleiner Punkt zu sehen. Sofort rief Sandra mir, der im Nebenraum abgestellt wurde, freudig zu: „Schatz, ich bin schwanger!“ Mir wurde heiß und kalt zugleich – ich konnte es überhaupt nicht fassen. Binnen Sekunden hatte ich einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen.
Die Ärztin dämpfte unsere Euphorie jedoch unmittelbar: „Es deutet leider vieles darauf hin, dass es sich um eine Fehlgeburt handeln wird. Wissen Sie, das kommt in dieser Phase der Schwangerschaft sehr häufig vor.“ In den nachfolgenden Wochen mussten wir immer wieder ins Krankenhaus zum Ultraschall und zur Hormonwert-Überprüfung. Die Ärzte machten uns bei den nachfolgenden Untersuchungen weiterhin wenig Hoffnung. Vorsichtshalber behielten wir die Nachricht für uns. Wir bangten weiter um den kleinen Punkt, mit dem wir uns schon so verbunden fühlten.
Irgendwann wurde es klarer: Die Schwangerschaft wird zwar weiterhin nicht einfach werden, aber aus dem kleinen Punkt wird ein kleiner Leon werden. Bei den letzten Untersuchungen waren alle Werte optimal und auch die Ärzte meinten, es schaue alles prima aus.
Leider wurde es das nicht… Es begann eine Odyssee von Untersuchungen. Unzählige Blut-Tests, Ultraschalluntersuchungen, Stuhlproben, Urintests, Stoffwechselanalysen, EEG Gehirnstrom-Messungen bis hin zu Vollnarkosen und dem MRI vom Gehirn. Von den Ärzten immer wieder die gleiche Aussage: „Wir wissen nicht, was das Problem ist.“
In der Zwischenzeit versuchten wir Leon so gut es ging zu fördern. Er tat uns so leid, denn für ihn bedeutete das jede Woche eine Vielzahl verschiedener Therapien, welche bis heute andauern. Auch die ständigen Krankenhausbesuche und Behandlungen wurden zu einer Tortur für Leon. Schon bald genügte bereits ein weißer Kittel und Leon begann zu weinen. Und trotzdem war kein Ende in Sicht: Ausziehen, Abwiegen, Abmessen, Blutabnehmen und Bewegungstests. Und danach wieder alles von vorn.
Die ganze Familie freute sich so sehr über die Geburt des ersten Kindes bzw. Enkels. Alles schien perfekt zu sein. Wir schlossen den kleinen Mann sofort in unser Herz und waren überglücklich. Nach etwa einem halben Jahr zogen jedoch erste Gewitterwolken auf. Wir hatten das Gefühl, dass Leon in seiner Entwicklung nicht so voranschreitet wie andere Kinder. Sandra bemerkte das sehr früh, da sie selbst Physiotherapeutin ist. Die verschiedenen Kinderärzte kommentierten unsere Sorgen immer gleich: „Das ist völlig normal und alle Kinder entwickeln sich unterschiedlich. Keine Sorge, das wird schon.“
Wenn man einen Menschen über alles liebt, dann ist es das Schlimmste, wenn man ihm nicht helfen kann und man zusehen muss, wie er leidet. Leon musste immer wieder so bitterlich große Krokodilstränen weinen und streckte flehend seine kleinen Hände nach uns aus. Man hat das Gefühl, ihn in diesem Moment im Stich zu lassen – und es bricht einem das Herz. Leon war erst 17 Monate alt und musste schon so viel durchmachen. Er war von Anfang an ein sehr glücklichen Baby, doch dieser Weg setzte ihm zu. Er lachte immer weniger und wurde teilweise schon aggressiv, wenn wir ihn nur ausziehen wollten zum Wickeln. Wir entschieden uns dann für einen vorerst letzten Krankenhausaufenthalt.
Diesmal wollten wir nicht weg, bevor nicht alles untersucht wurde. Es hieß, hartnäckig zu bleiben. Wir mussten enorm viel Energie und Mut aufbringen, um in diesem Mühlrad nicht unterzugehen. Es war offensichtlich, dass die Ärzte mit solch seltenen Fällen bisher kaum Erfahrung hatten. Immer wieder erfuhren wir wenig kindgerechte Vorgehensweisen und Behandlungen, Fingerspitzengefühl ließen viele der uns behandelnden Ärzte vermissen. Zum Glück sind wir aber auch auf sehr nette und bemühte Mediziner getroffen.
Durch die starke generelle Entwicklungsverzögerung wurde der Alltag eine große Herausforderung. Leon braucht sehr viel Aufmerksamkeit und Betreuung. Sein Essen muss immer immer püriert werden, da er nicht richtig kaut und sich dann verschluckt. Dadurch wäre er uns schon fast zweimal erstickt. Er wird teilweise 20 mal pro Nacht wacht, hat starke Stimmungsschwankungen und Probleme, seine Emotionen auszudrücken. Leon wird von uns permanent gefördert und erhält täglich Therapien. Alle in der Familie trainieren immer wieder mit ihm.
Irgendwann erhielten wir dann endlich die Diagnose: Syngap-Syndrom. Leon war der erste in Österreich bekannte Fall. Es fühlte sich an, als würde uns der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Völlige Leere. Seitdem begleiten uns permanente Sorgen um seine Zukunft. Wir können uns einfach nicht vorstellen, dass wir nicht helfen können. Man möchte für seine Kinder das Beste. Dass ihm jedoch so viel verwehrt bleiben soll, ist für uns unvorstellbar. Wir versuchen alle Energie aufzubringen, um ihm trotz der düsteren Aussichten ein besseres Leben zu ermöglichen.
Von anderen betroffenen Familien erhalten wir einen Einblick in die Zukunft. Die Kinder sind alle wesentlich älter als Leon und die Herausforderungen nehmen mit steigendem Alter zu.
Wir schauen optimistisch und kämpferisch in die Zukunft und danken nochmals allen Unterstützern von ganzem Herzen!
PS: Leon hat nun auch eine kleine Schwester namens Marie. Sie entwickelt sich ganz prima und ist topfit 🙂
© 2021 Leon & Friends e. V.